Verwaltung kommuniziert. Das tut sie nicht nur auf Grund ihrer Kompetenz/Pflicht zur Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch, weil ihr Auftreten auf ihre Nicht-/Akzeptanz zurückwirkt und ihre Legitimität beeinflusst. Unter den Bedingungen der freien Kommunikationsgesellschaft ist eine Kommunikation als Amt – ja – eine effektive Verwaltung in Wort und Tat erforderlich. Die wortbezogene Amtstätigkeit wird maßgeblich durch die Grundsätze der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit bestimmt. Die sprechende Verwaltung muss sich jedoch aus Gründen der Staatsfreiheit der Presse zurückhalten, denn in der freien Mediengesellschaft kommt es entscheidend darauf an, wer kommuniziert, also wer von der Informationsbeschaffung bis hin zur Verbreitung auftritt. In letzter Zeit sind insbesondere Kommunen mit Kommunikationsaktivitäten aufgefallen, welche doch sehr wie private Lokalpresse anmuten. Diesbezüglich hatte bereits der Bundesgerichtshof zu entscheiden. Die Sensibilität behördlicher Kommunikationsarbeit gegenüber der staatsfreien Presse als Wesenselement des freiheitlichen Staates (BVerfG 5.8.1966 – 1 BvR 586/62, 610/63 und 512/64 – DER SPIEGEL, Rn. 35) scheint nachzulassen.
Staatsfreiheit
Den Staat treffen im öffentlichen Kommunikationsverhältnis Schutz- und Rücknahmepflichten, die sich aus der objektiven Dimension der Pressefreiheit – dem Institut der freien Presse – ergeben. Der Schutz der Pressefreiheit erstreckt sich auf die Pressetätigkeit in ihrer Gesamtheit. Dabei fungiert die Pressefreiheit als Übermittlungsgarant von Meinungen und Tatsachen durch Dritte nicht lediglich als Spezialfall der Meinungsfreiheit, sondern garantiert die objektiven Rahmenbedingungen der freien Presse im Grundgerüst der freiheitlichen Gesellschaft. Ihre Gewährleistung ist insoweit relevant, wenn die institutionell organisatorischen Rahmen-/Bedingungen der Institution der freien Presse (Redaktionsfreiheit, Informantenschutz, Errichtung eines Verlagshauses) tangiert sind und somit die Individualmeinung überschritten wird (BVerfG 9.10.1991 – 1 BvR 1555/88 – Bayeraktionäre, Rn. 39, 40). Aus dieser objektiven Gewährleistung erwuchs das Feld der freien Presse als Institutionsgarantie, die als korrigierender Flankenschutz der subjektiven Freiheit verstanden wird. Durch die Anerkennung der Einrichtung der freien Presse ist – anders als im Rahmen dienenden Rundfunkfreiheit – nicht „lediglich“ eine staatsferne Organisationsform verfassungsrechlich notwendig, sondern eine strenge Trennung im Sinne der Staatsfreiheit. Daher ist der Presse eine privatwirtschaftliche Organisation von Verfassungs wegen vorgezeichnet. Insofern ist dem Staat bei presseanmutender Tätigkeit besonders auf die Finger zu schauen. Er darf weder Inhalt und Gestaltung eines privaten Presseerzeugnisses beeinflussen, noch sich an einem Presseunternehmen beteiligen. Und besonders aktuell: er darf nicht selbst durch ein Druck-oder Telemedienerzeugnis, welches in der Gesamtschau pressesimulierend ist, Öffentlichkeitsarbeit betreiben.
Aktueller Rechtsstand
Verstärkt durch das Sachlichkeitsgebot bedeutet dies, dass sich Hoheitsträger keiner meinungsbildenden boulevardpressemäßigen Illustration bedienen und das Layout nicht nach Art einer typischen Zeitschrift gestalten dürfen. Es ist der Eindruck eines von einem Privatunternehmen stammenden Presseerzeugnisses zu vermeiden. Staatliche Publikationen müssen als solche erkennbar sein; andernfalls wird die Unabhängigkeit der Informationsfunktion der Presse gefährdet (OLG München, 30.09.2021 – 6 U 6754/20, Rn. 107, 242) Dies setzt auch voraus, dass sich Öffentlichkeitsarbeit nicht solcher Formate bedient, wie sie in einem Presseprodukt üblich sind. Unzulässig sind daher Panoramaberichte, eine ausufernde Lokalberichterstattung, moderierte Gespräche wie „Talks“, Beiträge über ortsansässige Unternehmen und das Bewerten rein gesellschaftlicher Ereignisse etwa aus den Bereichen Sport, Kunst und Musik (BGH, 20.12.2018 – I ZR 112/17, Rn. 38 – Crailsheim-II). Die Überschreitung des zulässigen Öffentlichkeitsarbeitsbereiches und damit einhergehend der Griff in die staatsfreie Sphäre wird mittels einer Gesamtbetrachtung festgestellt (BGH aaO. Rn. 40; OLG Hamm, 10.06.2021 – 4 U 1/20, Rn. 213).
Juristische Bewertung hoheitlicher Angebote
So müssen sich nun bekannte hoheitliche Angebote zur Problemerläuterung an diesen Maßstäben messen lassen. Die Landeshauptstadt Düsseldorf betreibt umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit auf ihrem Youtubekanal, bei welchem beispielweise Bauprojekte, Grünanlagenpläne und Beschlüsse des Stadtrates aus Verwaltungsinnensicht dargestellt werden. Die Informationsvideos erscheinen teilweise sogar stündlich. Hier ist bereits zu fragen. ob die Meldungsfrequenz nicht bereits den „grünen Bereich“ der Sachinformation (Fragestunden an den Oberbürgermeister, Konzeptpräsentation, etc.) überschreitet, denn eine überbordende Öffentlichkeitsarbeit kann privater Lokalberichterstattung erhebliche Konkurrenz machen und muss sich daher in Zurückhaltung üben. Weiterhin fällt auf, dass die Verwaltungsberichte im Stil eines Nachrichtenmagazins gestaltet sind, welche sich nur durch das Einblenden des Stadtlogos von Telemedienberichten abgrenzen. Es besteht das Risiko der Presseähnlichkeit.
Besonders sticht das Stadtportal „koeln.de“ hervor, welches für die Stadt Köln von NetCologne (dem Kölner Netzbetrieb, dessen alleiniger Gesellschafter die Stadt selbst ist) in deren Auftrag betrieben wird. In mannigfaltigen Rubriken bietet das Portal sogar einen „24h-Ticker“ an, welcher in Stakkato Seitenbesucher mit Nachrichten versorgt. Die von der kreisfreien Stadt beherrschte Webseite gibt auch Shoppingtipps, Informationen über allein im gesellschaftlichen Bereich angesiedelte Sport-und Kulturevents und verquickt diese mit offiziellen Informationen der Stadt. Dies wirkt in der Gesamtheit wie eine private Lokalnachrichtenquelle. Stärker könnte der Griff in die Pressesphäre im Gesamtcharakter nicht sein –zumal die Breitenwirkung eines Telemediums den Eingriff verstärkt (OLG München aaO. Rn. 98 ff.)
Seit Dezember 2018 wird das Magazin „schwarzrotgold“ der Bundesregierung mit großer Reichweite veröffentlicht. Als Maßstab soll hier das Heft 2/2021 dienen, dessen Aufbau dem anderer Ausgaben entspricht. Besonders sticht die Rubrik „Das Gespräch“ heraus, welche eine vom Bundespresse-und Informationsamtes moderierte Diskussion beinhaltet, in denen Gesprächspartner ausgewählte Fragen diskutieren. Hier muss die Bundesregierung bereits aus Gründen der politischen Neutralität ein breites Spektrum an Gästen zum „Gespräch“ einladen und diese inhaltlich unbeeinflusst antworten lassen. Jedoch liegt das Problem tiefer. Es ist wesentlich für die freie Presse, Drittmeinungen weiterzugeben (Vermittlungsfunktion), sei es auch in einem moderierten Gespräch. Ein gewöhnlicher Fall staatlicher Öffentlichkeitsarbeit, die übliche Informationenherausgabe nach außen, ist hiermit nicht gegeben. Gerade ein moderiertes Gespräch erweckt auf den unbefangenen Leser den Eindruck eines offenen Forums, geht aber stets mit der Gefahr einher, dass man die ausgewählten Kandidaten unter einem determinierten Thema das äußern lässt, was man als Hoheitsträger antizipierend billigt. Hierbei mutet die Publikation wie ein Pressegesprächsforum an. Der Übergriff in die Pressesphäre liegt bei Diskussionssimulationen nahe – trotz der sonst zurückhaltenden Inhalte des Magazins, welches (noch) in der Gesamtgestaltung die Grenze der Staatsfreiheit einhält.
Presseeklektizismus?
Die Beispiele zeigen: Hoheitsträger nutzen die Möglichkeiten, die redaktionelle Medien ihnen bieten. Sie müssen in der Kommunikation à jour bleiben. Hierbei fehlt jedoch die Sensibilität für das Gebot der Staatsfreiheit. Das lässt auf ein geringes Problembewusstsein der Verwaltung in der Medienschaffung schließen. Das bedeutet nicht, dass durch hoheitliche Publikationen die staatsfreie Presse nun ganzheitlich gefährdet ist. Jedoch besteht das veritable Risiko, dass Hoheitsträger sich bei grundsätzlich zulässiger Öffentlichkeitarbeit zunehmend pressetypischer Aufmachungen, Nachrichteneinschüben und Elementen der Anpreisung (lokaler) Gesellschaftstätigkeiten bedienen und somit einen eigenen Pressestil entwickeln – wahrscheinlich, da man keine reichweitenbringende Zukunft in sachlichen Publikationen sieht. Die aufmerksamkeitsbedürftige staatliche Öffentlichkeitsarbeit darf jedoch nicht primär auf Klickzahlen und Auflagen fixiert sein. Das beobachtete Verhalten riecht stark nach boulevardisierendem Eklektizismus und wird von hoheitlicher Seite auf der Grundlage eines erstarkendem kommunikativen Selbstverständnis auf dem Rücken institutionell vorbedingter privater Presseinstanzen ausgetragen, welche durch die hiermit aufgenötigte über übliche Öffentlichkeitsarbeit hinausgehende Hoheitskonkurrenz ihre Kontrollfunktion als „public watchdog“ nicht mehr gleicheffektiv wahrnehmen können. Es hat seinen Grund, warum die Staatsfreiheit als Marktverhaltensregelung in § 3a UWG unmittelbar hineinwirkt. Man kann hoffen, dass sich durch die mittlerweile erstarkende gerichtliche Kontrolle diesbezüglich ein Lerneffekt bei publizierenden Hoheitsträgern einstellen wird.
Zitiervorschlag: Hubig, Marvin Damian, Staatlicher Presseeklektizismus?, JuWissBlog Nr. 10/2022 v. 04.02.2022, https://www.juwiss.de/10-2022/.
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